Kullak: Ästhetik des Klavierspiels - Kap. 2

S. 43 - Texterweiterung der 8. Auflage (1920)

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[Die Seitenzählung entspricht der 8. Auflage.]

<*37> Die grossen Pianisten der Gegenwart hat zumeist noch Liszt gebildet. Ihre kleine Reihe führt der wohl grösste unter ihnen, namentlich in der Beethoven-, Liszt- und Brahmsinterpretation, Eugen d'Albert (geb. 1864). Ferruccio Busoni (geb. 1866) steigert Listzs, das Klavier zur Orgel erweiternde Kunst der Bach-Übertragung zum höchsten Gipfel instrumenteller Stilisierung. Konrad Ansorge (geb. 1862), ein zartgeistiger Dichter und Träumer am Klavier, und der auch durch Bülow gebildete herbe Schotte Frederic Lamond (geb. 1868) sind mit d'Albert die grössten, mehr objektivierenden Beethoven-Interpreten dieser im übrigen durchaus subjektivistischen Schule. Ihr grösster Kolorist des Klaviers war Alfred Reisenauer (1863-1907). Der ausgesprochen virtuosen Richtung gehören mit Busoni an der elegante, höchste Klarheit mit sammetweichem Anschlag vereinende Emil Sauer (geb. 1862), der grosszügige Liszt-Interpret Arthur Friedheim (geb. 1859), sowie die beiden Meister eines phänomenalen, geistgeadelten technischen Könnens, um die sich der sensationellste Virtuosenruhm moderner Zeit schlingt: Moriz Rosenthal (geb. 1862) und Leopold Godowsky (geb. 1870). Die Verbindung Liszt - Nicolas Rubinstein stellt neben dem grossen Chopin-Interpreten Wladimir Pachmann (geb. 1848) des modernen Russlands grösster Klaviervirtuos Alexander Siloti (geb. 1863), diejenige d'Albert - Pariser Conservatoire der als Interpret der Klassiker gleichfalls mehr objektivierende Edouard Risler (geb. 1873) her. Als würdige Erben Clara Schumanns und wohl grösste Virtuosinnen moderner Zeit haben Sofie Menter (1846-1918), noch eine Schülerin Liszts, Bülows und Tausigs, und Teresa Carreno (1853-1917) die kurulischen Sessel belegt.

Liszts und Nicolas Rubinsteins Erbe hat, selbst mehr nach seiten zierlicher Salonbrillanz, Theodor Leschetizky (1831-1915) angetreten, aus dessen fast unübersehbar grossem Schülerkreise u.a. Ignaz Paderewski (geb. 1860) und der glänzende Chopin-Interpret Ignaz Friedman (geb. 1882) hervorgingen.

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