Quantz: Anweisung - Kap. 18

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<292> §. 25. Bey Beurtheilung der Arien ins besondere aber, wird sich dessen ungeachtet doch noch Mancher betrügen können: weil die Meisten immer nur nach ihrer eigenen Empfindung urtheilen, und allein diejenigen Arien für die besten halten, welche ihnen vorzüglich gefallen. Die Einrichtung einer Oper erfodert aber, daß um des Zusammenhanges des Ganzen willen, nicht alle Arien von gleicher Beschaffenheit oder Stärke, sondern von verschiedener Art und Natur seyn müssen. Die ersten von den recitirenden Personen müssen, nicht nur in Ansehung der Poesie, sondern auch der Musik, vor den letztern einigen Vorzug behalten. Denn gleich wie ein Gemälde, welches aus lauter gleichförmigen schönen Figuren besteht, das Auge nicht so einnimmt und reizet, als wenn etliche Figuren von geringerer Schönheit mit darunter vorkommen: so bekömmt auch oftmals eine Hauptarie nur alsdenn erst ihren rechten Glanz, wenn sie zwischen zwo geringere eingeflochten wird. Nachdem die Gemüthsbeschaffenheiten der Zuhörer unterschieden sind, nachdem wird auch ihr Geschmack an den Arien unterschieden seyn. Einem wird diese, einem andern jene Arie am beten gefallen. Man darf sich also gar nicht wundern, wenn dem einen dasjenige gefällt, woran der andere gar nichts angenehmes findet; und wenn folglich die Beurtheilung eine Stückes, und besonders einer Oper, so verschieden und ungewiß ausschlägt.

§. 26. [...]

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