Quantz: Anweisung - Kap. 18

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§. 75. In der Instrumentalmusik möchten es die Franzosen noch eher zu etwas bringen, wenn sie sowohl in Ansehung der Composition, als der Ausführung, gute Muster von andern Völkern bey sich hätten: oder wenn ihre Componisten, Sänger, und Instrumentisten mehr Liebhaber wären, andere Länder zu besuchen, um eine vernünftige Vermischung im Geschmacke zu machen. So lange sie sich aber noch von Vorurtheilen vor ihr eigenes Land beherrschen lassen, auch keine rechten echten und guten Beyspiele von Italiänern, oder andern Nationen, die schon in einem vermischten Geschmacke setzen, singen oder spielen, in ihrem Lande haben, so lange sie den vermischeten Geschmack in andern Ländern nicht zu erlangen suchen: werden sie entweder bleiben wie sie vor langen Zeiten gewesen sind, oder es steht zu befürchten, daß sie, wegen des Mangels guter Muster, wenn sie ja was neues einführen wollen, aus der allzugroßen <323> Modestie, endlich in eine desto größere Frechheit verfallen, und den ihnen immer noch eigen gewesenen netten und deutlichen Vortrag, in eine bizarre und dunkele Art zu spielen verwandeln möchten. Bey einer neuen und fremden Sache, wendet man mehrentheils nicht Zeit genug zur Untersuchung derselben an, sondern man fällt gemeiniglich von einem äußersten Ende aufs andere: absonderlich wenn es auf die Wahl junger Leute ankömmt, welche durch alles, was nur neu ist, verblendet werden können.

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