Riemann: Klavierschule op. 39,1

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Kap. 5 [Seite 4 von 5]

Eine nur selten und dann in der Regel nur für wenige Noten zur Anwendung kommende Anschlagsart ist das Fingerspitzen-Staccato oder Carezzando, [FN: Von A. de Kontski aufgestellt und besonders cultivirt. Vergl. dessen Op. 100 "L'Indispensable du Pianiste."] bestehend in einem leichten Streifen oder Streicheln der Tasten durch die nach innen bewegten Fingerspitzen.

Wie aus dem Gesagten zu ersehen, ist die Hand- und Armhaltung während der verschiedenen Anschläge eine mannichfach wechselnde; denn natürlich kann das Handgelenk nicht in der wagerechten Stellung bleiben, wenn die Hand geworfen wird. Die als normal aufgestellte Handstellung ist daher eigentlich nur für das strenge Legato (die allerdings wichtigste Spielweise) giltig. Schon beim Non Legato findet zweckmässiger Weise eine Abweichung statt, nämlich eine ziemlich beträchtliche Erhebung des Handgelenks, welche zwingt, die Finger fast gerade herunter zu strecken, um die Tasten zu erreichen; es wird dadurch ein weicheres Absetzen der Töne erreicht. Beim Mezzolegato wird dagegen die Handdecke ziemlich flach und den Tasten nahe gestellt, wodurch die Finger verhindert werden, sich wie beim Legato zu krümmen, und daher in eine abgedachte Stellung kommen; der Anschlag geschieht dann nicht mit der äussersten Spitze, sondern mehr mit dem Ballen des Nagelgliedes. Das Abziehen (Absetzen) der eine Legatofigur endenden Note wird nach Art des Non legato durch Heben des Handgelenks bewerkstelligt, sodass wie dort der Finger in gestreckter Stellung die Taste verlässt; andernfalls würde ein Abstossen von der Taste erfolgen, <21> das den Ton leicht spitz macht. Dem Erheben des Handgelenks geht auch wohl in solchen Fällen eine Senkung unter das Niveau voraus, welche das Abziehen des Fingers in gekrümmter Stellung ermöglicht; diese Manier ist graziöser und elastischer und wird besonders nöthig, wo Bindung und Abziehen in nicht zu schneller Folge oft wechseln.

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