Chr.Fr.D. Schubart: Ästhetik der Tonkunst

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Hamburg.

<173> Diese Stadt hat vor andern Städten Deutschlands große und graue Verdienste um die Tonkunst. Schon um die Zeit der Kirchenverbesserung unterhielt man daselbst Musikchöre, die, nachdem der Kirchengesang eingeführt wurde, der Aufnahme und Würde desselben ungemein zu Statten kamen. Ich glaube, daß diese Stadt die ersten Orgeln in Deutschland hatte: wenigstens findet man in ihrer Geschichte frühere Nachrichten von Orgeln, als in den Chroniken anderer Städte. Deßhalb gab es auch daselbst viel früher große Organisten, als anderwärts in Deutschland. Man besoldete Cantoren oder Sangmeister, nahm Zinkenisten und Posaunisten an, und vereinigte sie mit dem öffentlichen Gesange. Darum ist in keiner Stadt Deutschlands der Choralgesang so trefflich, so majestätisch donnernd, so ganz die Tempelhallen ausfüllend, und so gründlich von der Orgel begleitet - als in Hamburg. Auch sind die Hamburger die ersten Protestanten gewesen, welche die Figuralmusik Anfangs mit großem Widerstande der Geistlichkeit, in den Kirchen einführten. Der Reichthum dieser Stadt, welchen bekanntlich ihre ausgebreitete Handlung <174> einführte, war der Musik sehr günstig. Der Magistrat setzte für die Musiker ansehnliche Besoldungen aus, und reiche Privatpersonen vermehrten selbige durch ansehnliche Stiftungen. Zu Anfang dieses Jahrhunderts waren abermahls die Hamburger die ersten, welche deutsche Singstücke aufs Theater brachten. Obgleich die Poesie Anfangs meist schlecht war, so war doch die Musik für die damahlige Zeit sehr gut gesetzt.

Die Theatralmusik zu Hamburg ist eine der trefflichsten in Deutschland; eben nicht stark besetzt, aber so richtig in der Ausführung, daß Concertmeister dahin reisen sollten, um zu lernen, wie man ein Orchester anführt. Da die ersten Producte der Welt daselbst aufgeführt werden, so ist leicht zu erachten, welch eine große Musikschule Hamburg für unser Vaterland geworden.

[...]

<181> Ein Theater, an dessen poetischen und musikalischen Vollkommenheiten Lessinge, Klopstocke, Bache, Bode, Schröder und andere Jahre lang gearbeitet haben, muß sich nothwendig zu einem Gipfel erheben, der über alle andern Theater hinausreicht. Daher macht in Hamburg nichts mehr Sensation, als was außerordentlich groß ist. Ja ein berühmter Engländer behauptete kürzlich öffentlich, daß der allgemeine musikalische Geschmack zu Hamburg weit größer sey, als der in London.

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