Phantasien, Capricen &c. für Pianoforte [Kreisig 71]

[Auszug]

F. Chopin: Mazurken op. 33, Walzer op. 34, Préludes op. 28

<III,96>[...]

<III,121> Von neuen Compositionen Chopin's haben wir, außer einem Heft Mazurken und drei Walzern, eine merkwürdige Sammlung von Präludien zu erwähnen. Er gestaltet sich immer lichter und leichter - oder ist's Gewöhnung an seine Weise? - So werden die Mazurken1 im Augenblick anmuthen und scheinen uns populärer als die früheren; vor allen müssen die drei Walzer2 gefallen, andern Schlages als die gewöhnlichen, und in der Art, wie sie nur einem Chopin beikommen können, wenn er in das Tanzgemenge, das er eben hebt durch sein Vorspielen, großkünstlerisch hineinsieht und andere Dinge denkend, als was da getanzt wird. Ein so flutendes Leben bewegt sich darin, daß sie wirklich im <III,122> Tanzsaal improvisirt zu sein scheinen. Die Präludien3 bezeichnete ich als merkwürdig. Gesteh' ich, daß ich mir sie anders dachte und wie seine Etuden im größten Styl geführt. Beinahe das Gegentheil; es sind Skizzen, Etudenanfänge, oder will man, Ruinen, einzelne Adlerfittiche, alles bunt und wild durcheinander. Aber mit feiner Perlenschrift steht in jedem der Stücke: "Friedrich Chopin schrieb's"; man erkennt ihn in den Pausen am heftigen Athmen. Er ist und bleibt der kühnste und stolzeste Dichtergeist der Zeit. Auch Krankes, Fieberhaftes, Abstoßendes enthält das Heft; so suche jeder, was ihm frommt, und bleibe nur der Philister weg. Was ist ein Philister?

Ein hohler Darm
Von Furcht und Hoffnung ausgefüllt,
Daß Gott erbarm!"'

Schließen wir besänftigender mit dem schön Schiller'schen:

Jenes Gesetz, das mit ehernem Stab den Sträubenden lenket,
Dir nicht gilt's. Was du tust, was dir gefällt, ist Gesetz.[1]

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Fußnoten

1 Werk 33. zurück zum Text

2 Werk 34. zurück zum Text

3 Werk 28. zurück zum Text

Anmerkungen

[1] aus: F. Schiller, Der Genius. zurück zum Text

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