Sulzer: Theorie der Schönen Künste

Singstimme.

(Musik.)

<383re> [...]

Die menschliche Stimme hat vor allen Instrumenten in Ansehung ihres wahrhaftig leidenschaftlichen Tones, der so mannichfaltig ist, als es mannichfaltige Leidenschaften giebt; und vornehmlich wegen der Bequemlichkeit, mit dem Gesang zugleich Worte <384li> zu verbinden, die den Gegenstand der Leidenschaft schildern, einen so großen Vorzug, daß die Singstimme in allen Tonstüken, wo sie vorkömmt, mit Recht die Hauptstimme ist, der die Instrumente nur zur Begleitung dienen. Wer daher eine vollkommen gute Singstimme setzen kann, kann das Vornehmste in der Musik. [...] Zur Singstimme taugt nur fließender, ausdruksvoller, mit den Worten übereinstimmender Gesang; dies ist aber nicht jedermanns Sache. [...] Außer dem aber wird eine gute Kenntniß der Sprache, der Prosodie und der metrischen Einrichtung des Textes erfodert. Denn es ist ungemein anstößig, wenn auch nur hier und da in einzeln Stellen die metrische und rhythmische Beschaffenheit des Gesanges der, die im Texte liegt, widerspricht. [...]

zurück