Türk: Klavierschule

Einleitung]

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Unterrichtsdadaktik (Fortsetzung) [§ 29]

<18> §. 29. Ein anderer Fehler wird sehr oft dadurch begangen, daß man den Anfänger die Stücke so lange spielen läßt, bis er sie auswendig kann. Zur Erreichung eines gewissen Endzweckes, von welchem weiter unten mehr, mag das gut seyn; aber im Notenlesen, in der Eintheilung derselben, im Takte, in der Fingersetzung &c. nimmt der Schüler bey dieser Uebung wenig oder gar nicht zu, weil er, ohne sich etwas dabey zu denken, zuletzt blos maschinenmäßig handelt. Besser ist es daher, wenn man ihn das aufgegebene Tonstück nur so lange üben läßt, bis er es in einer sehr mäßigen Bewegung zusammenhängend spielen kann.

Damit man mich nicht unrecht verstehe, muß ich hierbey eine Anmerkung machen. Ich halte nur die Methode für schlecht, wenn man jeden Lernenden, ohne Rücksicht auf seine Fähigkeiten, ganze Wochen hindurch mit einem Stücke aufhält, und ihn so lange müßig läßt, oder wenigstens nur die Finger und nicht den Kopf desselben beschäftiget, bis er es ganz fertig spielen kann. Die Geschwindigkeit ist nur etwas Mechanisches, und kommt ohnedies mit der Zeit durch lange Uebung: <19> aber eigene Beurtheilung, Fertigkeit im Notenlesen, Sicherheit im Takte, Mannigfaltigkeit im Vortrage &c. erwirbt man sich aus wenigen Stücken nicht. Was dem Anfänger jetzt noch schwer ist, das wird ihm in einem Jahr ganz leicht vorkommen, wenn nur der Lehrer für einen hinlänglichen und gut gewählten Vorrath von Musikalien sorgt. Ist der Lernende über die ersten Schwierigkeiten hinweg, das heißt: kann er leichte Handstücke ohne große Mühe spielen: so halte man ihn dazu an, daß er die Stücke zusammenhängend, ohne einzelne Noten oder Takte zu wiederholen, vortragen lerne; denn dies unzeitige Unterbrechen, Wiederholen &c. ist ein Fehler, welcher sich nur gar zu bald einschleicht, wenn man ihm nicht gleich anfangs vorzubeugen sucht. Ist der Schüler soweit, daß er ununterbrochen fortspielen kann, so begleite ihn der Lehrer mit der Violine; denn dieses Instrument, oder allenfalls die Flöte [FN] sollte billig jeder Klaviermeister spielen können. Dadurch lernt der Scholar den Takt im Ganzen weit sicherer halten, als durch andere Hülfsmittel; er gewöhnt sich mehr daran, seine Stücke zusammenhängend vorzutragen; er bekommt außerdem, wenn anders der Lehrer gut spielt, einen bessern Vortrag; er bildet den Geschmack, lernt hören, und zugleich wird die Lust zur Musik dadurch sehr vermehrt. Anfangs kann der Lehrer allenfalls nur die Noten des Schülers mitspielen, wenn dieser noch im Takte fehlt, bis er etwas sicherer wird; in der Folge wählt man Stücke mit einer obligaten Violine, d.h. worin der Violinist hin und wieder die Hauptmelodie, oder einige Takte blos mit der Begleitung des Klavierbasses allein &c. zu spielen hat. Durch dergleichen Uebungen lernt der Scholar mit fortlesen, und, weil in solchen Fällen oft Pausen vorkommen, zugleich pausiren. Wird ihm das Letztere schwer, so schreibe man die Stellen, welche der Violinspieler allein vorzutragen hat, mit kleinen Noten in des Schülers Stimme, damit er nachlesen lerne - denn auch das hat seinen Nutzen - bis er endlich Sicherheit bekommt, und ohne dieses Hülfsmittel fertig werden kann. Klaviertrios, deren es in Menge giebt, sind hierzu am bequemsten. Nur nehme man beym Zusammenspielen die Stücke etwas leichter, als sie der Lernende vorher gehabt hat; denn was er allein so ziemlich heraus brachte, das glückt deswegen noch nicht, wenn er mit einem Zweyten ununterbrochen fortspielen soll. Kann man zuweilen noch einen Dritten zum Vioiloncell &c. bekommen, so wird der Nutzen für den Lernenden desto größer.

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