Türk: Klavierschule

Kap. 6, Abs. 2 (c)

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(c) Von der musikalischen Interpunktion. [§. 19-25]

<340> §. 19. [...]

§. 20. Bey der Erklärung dieses Gegenstandes kommt es vorzüglich auf die Beantwortung der beyden Fragen an:

  1. Wie kann man einen musikalischen Gedanken <341> gehörig zusammenhängend vortragen und zwey Perioden, ohne Verletzung des Taktes von einander absondern?
  2. Woran erkennt man die in einem Tonstücke befindlichen Ruhestellen?

§. 21. Die erforderlichen Mittel, einen Gedanken zusammenhängend vorzutragen, und zwey Perioden durch den Vortrag von einander abzusondern, sind folgende.

  1. Einen noch nicht geendigten Gedanken darf man nie durch unzeitiges Abheben der Finger von den Tasten (oder durch Pausen) trennen; [...]
  2. Fühlbarer wird das Ende einer Periode, wenn man bey dem letzten Tone derselben den Finger sanft von der Taste abhebt, und den ersten Ton der folgenden Periode wieder etwas stärker angiebt. Folglich entsteht durch das erwähnte Abheben eine kleine Pause, welche in die Zeit der jedesmaligen letzten Note (der Periode) fällt [...].

Hat der Komponist nach der letzten Note einer Periode selbst eine Pause angebracht, [...] so ist die obige Anmerkung unnöthig; weil der Finger <342> alsdann ohnedies abgehoben werden muß. Wiewohl man auch in diesem Falle der letzten Note eine etwas kürzere Dauer giebt, als es die eigentliche Geltung derselben erfordert. [...]

Bey einem sehr feinen Vortrage muß man, in Ansehung des Abhebens der Finger, sogar auf die größern oder kleinern, mehr oder weniger mit einander in Verbuindung stehenden Perioden Rücksicht nehmen. Man hebt nämlich bey dem Ende eines völligen Tonschlusses den Finger früher von der Taste, oder trägt eine solche Schlußnote kürzervor, als wenn damit nur ein Einschnitt geendiget wird. Folgt nach einem feurigen, lebhaften Gedanken, eine Stelle von sanfter Empfindung, somüssen beyde Perioden ebenfalls mehr getrennt werden, als wenn sie einerley Charakter haben .u.s.w. Indeß wären Fehler gegen diesen Vortrag wohl noch zu verzeihen, wenn nur übrigens nicht wider die Absonderung der Perioden auf eine sehr merkliche Art verstoßen würde.

§. 22. [...]

<343> §. 23. Ehe ich die §. 20. aufgeworfene zweyte Frage beantworte, muß ich einige allgemeine Anmerkungen voraus schicken, wodurch das Folgende verständlicher werden wird.

Ich habe schon oben gesagt, daß ein ganzes Tonstück füglich mit einer Rede verglichen werden könne; denn so wie diese in größere und kleinere Theile oder Glieder zerfällt, eben so verhält es sich in der Musik. Ein ganzer Theil, (Hauptabschnitt) eines größern Tonstückes ist ungefähr das, was man in der Rede unter einem ganzen Theile versteht. Eine musikalische Periode, (ein Abschnitt,) deren ein Theil mehrere haben kann, würde das seyn, was man in der Rede eine Periode nennt, und durch einen Punkt (.) von dem Folgenden absondert. Ein musikalischer Rhythmus kann mit den kleinern Redetheilen, die man durch ein Kolon (:) oder Semikolon (;) bezeichnet, verglichen werden. Der Einschnitt, als das kleinste Glied, wäre das, was in der Rede nur durch ein Komma (,) abgesondert wird. Wollte man hierzu die Cäsur noch besonders rechnen, so müßte man sie etwa mit der Cäsur eines Verses vergleichen. (Siehe Sulzers allg. Theorie: Einschnitt.) [...]

[...]

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