Christoph Willibald Gluck:
Le Nozze die Ercole e Ebe

Dieser Beitrag ist entstanden als
CD-Booklet-Text für Berlin Classics.

Nachdem der Halbgott Herkules, der Sohn des Jupiters und der tugendhaften Alkmene, die ihm auferlegten zwölf Taten vollbracht hatte und in den Olymp aufgenommen worden war, vermählte Jupiter ihn mit Hebe, die als Göttin der ewigen Jugend und Anmut bei den olympischen Festgelagen den Göttern den Nektar ausschenkte. Hebe aber war die Tochter von Jupiter und Juno, und so diente denn ihre Vermählung mit Herkules als Zeichen, daß Juno nicht mehr zürnte ob der Fehltritte ihres Gemahls und daß fortan häuslicher Frieden herrschen solle im Götterhimmel. Mit Hebe zeugte Herkules die beiden Söhne Alexiares und Anicetus.

Fast möchte man dieser zeitgenössischen Schilderung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts noch hinzufügen: "... und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute."

Als die Fürstenhäuser von Bayern und Sachsen für den 13. Juni 1748 eine Doppelhochzeit verkündeten, um ihrer gegenseitigen Verbundenheit Ausdruck zu verleihen, ließ sich wohl kaum ein geeigneteres mythologisches Thema finden als die Vermählung von Herkules und Hebe. Während in der Münchener Residenz der Kurprinz Friedrich Christian von Sachsen mit der bayerischen Prinzessin Maria Antonia Walburga getraut wurde, fand zu gleicher Zeit in Dresden die Hochzeit des Kurfürsten Maximilian Joseph von Bayern mit Maria Anna, der Tochter Friedrich August II. von Sachsen, statt. Die Festlichkeiten in Dresden erstreckten sich über mehrere Wochen, in deren Verlauf am 29. Juni 1747 auch die Serenata "Le Nozze di Ercole e Ebe" von Christoph Willibald Gluck zur Aufführung gelangte.

Gluck war damals noch nicht der streitbare und geachtete Opern-Reformator, dessen Werke in ganz Europa gespielt wurden. Zwar hatte er in Mailand und London mit einigen seiner Opern Aufsehen erregt, aber noch unterschieden sich seine Kompositionen in stilistischer Hinsicht nur wenig von den Arbeiten der Zeitgenossen. Nach Dresden war Gluck gelangt als Kapellmeister der Theatertruppe des venezianischen Impressarios Pietro Mingotti. Die Mingottische Truppe sollte die Theateraufführungen während der Hochzeitsfestlichkeiten bestreiten.

Musikalischer Höhepunkt war die Oper "Spartano generosa" von Johann Adolf Hasse; Glucks Serenata hingegen war lediglich ein weiterer Programmpunkt von vielen. Wahrscheinlich hat Gluck die Aufführung selber dirigiert. Jedenfalls findet sich in den Rechnungsbüchern der Dresdener Reisekammerkasse unter dem 15. September 1747 der Vermerk:

400 Taler dem Sänger [!] Christoph Gluck zu seiner Abfertigung, ohne Berechnung, gegen Quittung angewiesen.

Ob Sänger, Dirigent oder Komponist, ob Gluck oder irgendein Orchestergeiger am zweiten Pult - für die sächsisch-kurfürstliche Hofverwaltung waren die Musiker eh' alle eins.

Glucks "Hochzeit von Herkules und Hebe" ist weniger eine Oper im eigentlich dramatischen Sinne mit Handlung und Verwicklungen als eine pastorale Idylle mit gelehrt sich spreizenden Dialogen, wie man sie aus der Renaissance her kennt. Der Textdichter ist unbekannt, das Libretto wurde bereits 1744 von Nicola Porpora vertont. Auch musikalisch greift Gluck auf Vorhandenes zurück: Der erste Teil der Ouvertüre ist einer Sinfonie von Giovanni Battista Sammartini entnommen und zahlreiche Arien stammen aus Glucks Opern der Mailänder und Londoner Zeit - eine Praxis, die damals durchaus üblich war. Zu einer eigenständigen Charakterisierung der Personen kommt es denn auch vor allem in den Rezitativen: Dem zum Aufbrausen neigenden Herkules steht die väterliche Ruhe Jupiters entgegen, daneben die kindliche Hebe, deren Unselbständigkeit sich in den zahlreichen Modulationen ausdrückt, oder Juno mit ihrem überlegenen, befehlenden Tonfall.

Dem Anlaß entsprechend wurde Glucks Serenata nur einmal aufgeführt. Bald schon geriet das Werk in Vergessenheit, wie auch die übrigen Opern aus Glucks Mailänder und Londoner Zeit allzu geringschätzig abgetan werden: als vermeintliche "Jugendsünden"", die dem Vergleich zu den großen "reformatorischen" Opern der späteren Jahre nicht standhalten können.

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