Ottorino Respighi: Orchesterwerke

Die italienische Musik assoziert man unweigerlich mit der Gattung Oper. Von Monteverdi bis Verdi ist das Musikdrama das Genre gewesen, in dem die Italiener den Ton angaben. Erst zu Beginn dieses Jahrhunderts bemühten sich etliche italienische Komponisten wie Ottorino Respighi verstärkt auch um die Instrumental- und Orchestermusik.

Da Italien im sinfonischen Bereich keine eigenständige nationale Tradition vorweisen konnte, andererseits aber der deutsche, schwerblütige Monumentalstil in der Nachfolge von Bruckner und Mahler in keiner Weise dem mediterranen Temperament entsprach, bot sich als Vorbild, an dem Respighi stilistisch anknüpfen konnte, vor allem der impressionistisch illustrative Stil, wie er von den Franzosen um Claude Debussy und Maurice Ravel gepflegt wurde. Auf die Frage, wer ihn musikalisch am tiefsten geprägt habe, antwortete Ottorino Respighi jedoch in späteren Jahren, dies sei Rimskij-Korsakow gewesen, bei dem er zwischen 1900 und 1903 Kompositionsunterricht genommen habe.

Fontane di Roma

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Die Tondichtung "Fontane di Roma" komponierte Respighi im Herbst 1913, aber erst drei Jahre später bot er das Werk Arturo Toscanini zur Uraufführung an. Toscanini sagte zunächst zu, ließ aber das Konzert platzen, nachdem er sich mit dem römischen Publikum überworfen hatte. Die Uraufführung der "Fontane di Roma" fand dann im März 1917 statt - unter der Leitung des Dirigenten Antonio Guarnieri. Publikum und Presse reagierten zunächst verhalten, so daß Respighi für künftige Aufführungen empfahl, man möge seine programmatischen Erläuerungen vorab dem Hörer bekannt machen:

In dieser Sinfonischen Dichtung hat der Komponist Empfindungen und Visionen ausdrücken wollen, die in ihm beim Anblick von vier römischen Brunnen wach wurden, und zwar jedesmal zu jener Tageszeit, in der ihre Eigenart am meisten mit der Umgebung übereinstimmt oder ihre Schönheit auf den Betrachter den stärksten Eindruck macht.

  1. Der erste Teil der Dichtung empfängt seine Eingebungen von der "Fontane in Valle Giulia" und schildert eine Hirtenlandschaft. Schafherden ziehen vorüber und verlieren sich im frischen feuchten Dunst der römischen Morgendämmerung.

  2. Plötzlicher lauter und anhaltender Hörnerklang über den oszillierenden Trillern des Orchesters eröffnet den zweiten Teil ("Tritonenbrunnen"). Auf den freudigen Signalruf hin eilen Najaden und Tritonen in Scharen herbei, verfolgen sich gegenseiti, um schließlich inmitten der Wasserstrahlen einen wilden Tanz aufzuführen.

  3. Ein feierliches Thema erklingt über den wogenden Klängen des Orchesters: die "Fontane di Trevi" am Mittag. Das feierliche Thema geht von den Holzbläsern auf das Blech über und nimmt einen triumphierenden Charakter an. Fanfaren erklingen: Auf leuchtender Wasserfläche zieht der Wagen Neptuns vorüber, von Seepferden gezogen und mit einem Gefolge von Sirenen und Tritonen. Der Zug entfernt sich, während gedämpfte Trompetenstöße in der Ferne nachhallen.

  4. Der vierte Teil ("Brunnen der Villa Medici in der Abenddämmerung") kündigt sich durch ein schwermütiges Thema an, das sich wie über leisem Geplätscher erhebt. Es ist die besinnliche Stunde des Sonnenuntergangs. Die Luft ist erfüllt von Glockenklängen, Vogelgezwitscher und Blätterrauschen. Alsbald verstummt dies alles im Schweigen der Nacht.

Pini di Roma

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Im Mai 1923 entschloß sich Respighi zur Fortsetzung der römischen Genre-Skizzen. Ähnlich wie bei den "römischen Brunnen" dominiert auch in den "Pinien von Rom" die koloristische, sinnfällige Bildhaftigkeit, wobei Respighi die Klangpalette des gewaltigen Orchesterapparates noch steigert, indem er für das letzte Bild sechs Buccinen (altertümliche Signaltrompeten) fordert und für den Gesang der Nachtigall die Einspielung einer ornithologischen Schallplattenaufnahme.

  1. "Die Pinien der Villa Borghese":
    Zwischen den Pinien der Villa Borghese spielen Kinder. Sie tanzen Ringelreihen, inszenieren Wachparaden und Kämpfe und berauschen sich an ihrem eigenen Geschrei wie Schwalben am Abend. Dann laufen sie davon. Unvermittelt wechselt die Szene ...

  2. "Pinien in der Nähe einer Katakombe":
    Baumschatten rings um den Eingang einer Katakombe, aus deren Tiefe ein klagender Gesang heraufdringt. Er erhebt sich zu hymnischer Größe und verklingt dann wieder.

  3. "Die Pinien auf dem Gianicolo":
    Die Luft erzittert, die Pinien des Gianicolo wiegen in klarer Vollmondnacht sanft ihre Wipfel. In ihrem Geäst ertönt der Gesang einer Nachtigall.

  4. "Die Pinien der Via Appia":
    Morgennebel über der Via Appia, vereinzelte Pinien scheinen über die an tragische Ereignisse gemahnende römische Campagna zu wachen. Undeutlich, doch immer aufs Neue glaubt man den Rhythmus unzähliger Schritte zu vernehmen. Der Dichter sieht in seiner Vorstellung das Aufleben uralten Ruhmes: Unter dem Geschmetter der Signaltrompeten naht ein Konsul mit seinem Heer, um im Glanz der aufgehenden Sonne zur Via Sacra und triumphierend zum Kapitol zu ziehen.

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Feste Romane

Der Erfolg der "römischen Brunnen" und der "Pinien von Rom" veranlaßten Respighi im Frühjahr 1927, das römische Sujet zu einem Triptychon zu erweitern. Die "römischen Feste" bilden eine nochmalige Klang- und Ausdruckssteigerung dessen, was der Komponist in den ersten beiden Werken vorgeprägt hat.

  1. "Circenses":
    Der Himmel steht dunkel über dem Circus Maximus, aber das Volk ist in Feststimmung: "Ave Nero!" Die eisernen Tore werden geöffnet, und es ertönt ein Choral, daneben das Gebrüll wilder Tiere. Durch die Volksmenge geht ein Zittern: Furchtlos steigt der Gesang der Märyrer empor und übertönt alles, bevor er im Tumult untergeht.

  2. "Das Jubiläum":
    Die Pilger schleppend sich betend auf der endlosen Straße hin. Endlich erblicken sie von der Höhe des Monte Mario aus die Heilige Stadt: "Rom! Rom!" Die Volksmenge bricht in Jubel aus, das Geläute aller Kirchen antwortet ihnen.

  3. "Ottobrata":
    Oktoberfest in den rebenumkränzten römischen Kastellen: ferne Jagdsignale, klingende Pferdegeläute, Liebeslieder. Durch die milde Abendluft wird die Musik einer romantischen Serenade zugetragen.

  4. "Befana":
    Dreikönigsnacht auf der Piazza Navona. Ein markantes Trompetensignal übertönt den frenetischen Lärm, auf dessen gellender Brandung von Zeit zu Zeit allerlei Musik ans Ohr dringt: Gassenhauer, Saltarello-Melodien, Klänge von Drehorgeln aus einer Schaubude, dazu die Stimme eines Ausrufers, das Gegröle Betrunkener und die selbstbewußte Devise, die von der römischen Bevölkerung hochgehalten wird: "Lassatece passà, semo Romani!" was bedeutet: "Macht Platz, wir sind Römer!"

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