Kurt Weill (1900-1950): Sinfonische Werke

Dieser Text ist entstanden als Beitrag für:
Bibliothek der Meisterwerke -
Sinfonien, Konzerte, Ouvertüren.
Köln, Naumann & Göbel, S. 367-369

Einführung

Bedeutung hat Kurt Weill vor allem auf dem Gebiet der Vokalmusik und des Musiktheaters erlangt. Der Songstil der Dreigroschenoper und Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny sind charakterstisch für eine Kompositionsweise, die das Genre der modernen Unterhaltungsmusik durchaus ernst nahm. Weill, der zunächst bei Engelbert Humperdinck, dem Komponisten der Märchenoper Hänsel und Gretel, studiert hatte und sich 1919/20 als Korrepetitor und Kapellmeister in Dessau und Lüdenscheid durchschlagen mußte, war in dieser Hinsicht von seinem späteren Lehrer Ferruccio Busoni geprägt. Busoni nämlich hatte versucht, seinen Schülern solche Berührungsängste zu nehmen: "Nur keine Angst vor Banalitäten; schließlich gibt es ja nur zwölf Töne in der Tonleiter." Der Unterricht bei Busoni in Berlin dauerte von 1921-24.

1933 mußte Weill vor den Nationalsozialisten aus Deutschland emigrieren. Seine erste Station war Paris; von 1935 an ließ er sich in New York nieder und nahm 1943 die amerikansiche Staatsbürgerschaft an. Seine Instrumentalkompositionen stammen aus der "europäischen" Zeit. In dne Vereinigten Staaten schrieb er vor allem Musiken für die Theater des New Yorker Broadway und für etliche Filme.

Sinfonie Nr. 1

Die erste Sinfonie entstand im Frühjahr 1921, wenige Monate, nachdem Ferruccio Busoni Kurt Weill als Kompoositonsschüler angenommen hatte. Die musikalische Sprache der Sinfonie steht zwar noch in der Tradition der deutschen Spätromantik, aber die Brüchigkeit der harmonischen Entwicklung und die abrupten Stimmungsumschwünge im melodischen Geschehen lassen erkennen, daß Weill sich eher den musikalischen Revolutionären als den Traditionalisten zugehörig fühlte. Der kämpferisch-expressionistische Charakter wird noch hervorgehoben durch ein Zitat aus Johannes R. Bechers emphatischem Festspiel Arbeiter, Bauern, Soldaten - Der Aufbruch eines Volkes zu Gott, das in Dramenform gleichermaßen die marxistischen wie religiösen Visionen vom Gelobten Land reflektiert. Gelegentliche Äußerungen Weills und verschiedene Interpretationshinweise in der Partitur lassen vermuten, daß Weill die erste Sinfonie nur als Vorarbeit gedacht war für ein geplantes Oratorium auf Bechers Befreiungs-Festspiel: Der dritte Teil trägt die Anweisung Wie ein Choral, der zwar nur vom Orchester gespielt wird, aber genausogut von menschlichen Stimmen gesungen werden könnte.

Violinkonzert op. 12

1924 lernte Kurt Weill in Italien den Geiger Joseph Szigeti kennen und faßte den Plan, für Szigeti eine umfangreichere Komposition zu schreiben. Das Konzert für Violine und Blasorchester op. 12 ist gelegentlich bezeichnet worden als "Dialog in Tönen, wobei das Soloinstrument die besseren Pointen beisteuert". Der Reiz dieses Violinkonzerts entwickelt sich vor allem aus den klanglichen Gegensätzen - sei es, daß die süßlichen Geigentöne gegen harte Bläser-Einwürfe sich durchsetzen müssen, oder daß elegische Bläser-Melodien mit virtuosen Geigen-Passagen konkurrieren. Der Dialog des zweiten Satzes spielt sich zwischen Geige und Xylophon ab - ein Stück Musik, das in Ansätzen schon auf Weills spätere Vorliebe für Jazz und "vulgäre" Stilelemente hindeutet.

Sinfonie Nr. 2

Nach den Erfolgen der Dreigroschenoper und Mahagonny wurde Kurt Weill Anfang 1933 von dem Dirigenten Maurice Abravanel gebeten, für ein Orchesterkonzert in Paris eine Sinfonie zu schrieben. Die Arbeit zog sich jedoch länger hin als geplant und konnte erst im Oktober 1934 von Bruno Walter mit dem Amsterdamer Concertgebouw-Orchester aufgeführt werden. Weill selbst nannte seine Sinfonie eimal ein sinfonisches Nocturno. Die Musik besitzt über weite Strecken den Charakter eines Potpourris: Immer wieder tauchen melodische Fragmente auf, die an die populären Weill-Songs erinnern. Aber dieser "unterhaltsame" Grundzug der Musik (der Weillsche "Berliner Dialekt") ist niemals ungetrübt: Die Melodien sind häufig mit tragischen Akzenten durchsetzt und nehmen unvermittelt eine befremdliche Wendung. Nach dem Erfolg der Uraufführung schrieb ein Kritiker: "... wenn dieses Publikum recht hat, frage ich mich, welches Vergnügen es an so manchem anderen Konzert haben kann. Man muß sich fragen, ob Werke wie die 'Zweite Sinfonie' eine Erneuerung des Konzertbetriebs bedeuten oder seinen Tod ankündigen ..."

Kleine Dreigroschenmusik

Die Kleine Dreigroschenmusik (die Ähnlichkeit zu Mozarts Kleiner Nachtmusik hat Weill beabsichtigt) entstand 1928, wenige Monate nach der Dreigroschenoper. Auftraggeber dieser Suite war der Dirigent Otto Klemperer, der von der Dreigroschenoper begeistert war und eine Orchesterfassung der "Highlights" für den Konzertbetrieb wünschte. Kurt Weill behielt zwar das am Jazz orientierte Instrumentalenemble bei, ordnete aber die einzelnen Nummern neu an und schrieb für mehrere Melodien eine neue, differenzierter gearbeitete Begleitung. Zum vollen Genuß der Kleinen Dreigroschenmusik ist die Kenntnis des dramatischen Originals sicherlich hilfreich, aber auch als "absolute" Musik besitzt die Suite durchaus ihren eigenen Reiz.

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