Czerny: Pianoforte-Schule ... op. 500,III

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5tes Kapitel.

[a] Über den Ausdruck in brillanten Passagen.

<38> § 1. In früheren Zeiten, als die mechanische Ausübung noch nicht so weit vorgeschritten war, wie jetzt, war man froh, wenn man schwierige oder geläufige Stellen nur rein, deutlich und im Tempo, (oft grell genug) hervorbringen könnte, und die damahlige Neuheit der Sache erweckte noch immer Bewunderung.

Jetzt hat man gefunden, dass selbst die schwierigsten Stellen einen höhern Ausdruck zulassen, dass man durch Zartheit des Anschlags, wohlangebrachtes Rallentiren, etc:, selbst denjenigen Stellen einen anziehenden Reitz geben kann, welche früher nur für eine überflüssige Anhäufung einer Unzahl von Noten gehalten worden sind. Und schon hiedurch hat das Pianofortespiel unendlich gewonnen, so wie Compositionen dadurch neuen Werth erhalten; denn auf diese Art erhalten auch die Passagen ein melodisches Interesse, und hören auf, ein blosses Ohrgeklingel, oder ein, bloss für den Lerm berechnetes Fingerwerk zu sein.

§ 2. Es gibt 4 Hauptgattungen von Passagen, die aus schnellen Noten bestehen; nämlich:

  1. Solche, welche zugleich eine Melodie bilden, wie Z.B:
[Notenbeispiel 38-2]

<39> Hier ist die Melodie vorherrschend, und die geschwinden Noten sind mehr nur zur Ausfüllung da, um derselben mehr Bewegung und Leben zu verleihen.

Solche Passagen müssen demnach legato vorgetragen werden, und das eigentliche brillante Spiel, welches jeder einzelnen Note eine markirte Wirkung gibt, wäre hier nicht anwendbar.

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