Koch: Musikalisches Lexikon

Accompagnement.

<56> Man braucht dieses Kunstwort in verschiedener Bedeutung, und verstehet darunter theils den Vortrag derjenigen Stimmen, die einer Hauptstimme zur harmonischen Unterstützung zugeordnet sind, und unter diesen oft auch nur insbesondere den Generalbaß, theils bezeichnet man damit eine besondere Gattung des Recitatives, die außer der Grundstimme und dem damit verbundenen Generalbasse, noch mit andern Instrumenten begleitet wird. Hier betrachten wir den Ausdruck Accompagnement blos als Bezeichnungswort einer besondern Gattung des Recitativs, und versparen dasjenige, was die Begleitung einer Hauptstimme überhaupt betrifft, bis zu dem Artikel Begleitung.

<57> "Niemand bilde sich ein," sagt Sulzer, [FN: Allg. Theorie der schönen Künste, Art. "Recitativ"] "daß der Dichter nur die schwächsten und gleichgültigsten Stellen seines Werks dem Recitativ vorbehalte, den stärksten Ausbruch der Leidenschaften aber in Arien oder andern Gesängen anbringe. Denn gar oft geschieht das Gegentheil, und muß natürlicher Weise geschehen. Die sehr lebhaften Leidenschaften, Zorn, Verzweiflung, Schmerz, auch Freude und Bewunderung, können, wenn sie auf einen hohen Grad gestiegen sind, selten in Arien natürlich ausgedrückt werden. Der Ausdruck solcher Leidenschaften wird alsdenn insgemein ungleich und abgebrochen, welches schlechterdings dem fließenden Wesen des ordentlichen Gesanges zuwider ist."

- Bey solchen Stellen eines musikalischen Gedichtes pflegen die Tonsetzer sich des Accompagnements zu bedienen, das ist, sie lassen den Sänger diese Stellen des Textes in der eigenen Art des Recitativstyls zwar von Einschnitt zu Einschnitt singen, schildern aber die vorhandene Empfindung vermittelst der Instrumentalmusik durch kraftvolle und passende Sätze, die zwischen die Einschnitte der Singstimme eingerückt werden. Oft vereiniget sich auch die Singstimme dabey in kurzen <|> Sätzen vermittelst des ordentlichen Gesanges mit den Instrumenten, oder gehet in ein mit Imstrumenten begleitetes Arioso über. Diejenigen Stellen eines solchen Accompagnements, in welchen sich der Text weniger bis zum lyrischen Ausdrucke erhebt, werden entweder, wie bey dem gewöhnlichen Recitative, von der Grundstimme allein begleitet, oder der Tonsetzer vertheilt dabey die zur Harmonie gehörigen Töne, die sonst der Generalbaßspieler nur allein anschlägt, unter die übrigen Instrumente, von welchen sie in einzelnen kurz abgestoßenen Noten vorgetragen werden.

Noch eine besondere Art des Accompagnements bestehet darinne, daß man die Intervallen der Accorde, die bey dem gewöhnlichen Recitative zum Grunde liegen, und die der Generalbaßspieler bey dem Vortrage desselben anschlägt, um dem Sänger die reine Intonation der Intervallen zu erleichtern, von den Hauptstimmen des Orchesters ganz sanft aushalten läßt. In diesem Falle werden die Intervallen der Akkorde dergestalt unter die vorhandenen Stimmen vertheilt, daß immer derjenige Ton, der in dem vorhergehenden Akkorde schon vorhanden war, in eben derselben Stimme liegen bleibt, z.B.

Notenbeispiel Sp. 57/58
Notenbeispiel Sp. 59/60

<59> Durch das sanfte Aushalten einer solchen Folge von Akkorden, welches von keiner Bewegung unterstützt wird, als blos von der in Ansehung des Rhythmus ganz unbestimmten Bewegung der Singstimme, bekömmt der Satz eine ihm eigene Art von Feyerlichkeit, die zur Begleitung eines im Texte vorhandenen Gebetes, eines Gelübdes, oder zum Ausdrucke anderer ähnlicher Gegenstände, sehr geschickt ist. Daher bedient man sich dieser Gattung des Accompagnements besonders in der Kirchenmusik.

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