Koch: Musikalisches Lexikon

Anmuth.

<148> Die mehresten Deutschen Aesthetiker drücken durch dieses Wort gemeiniglich dasjenige aus, was man sonst auch Grazie nennet.

"Allein" (sagt Heydenreich) [FN: Kurzgefaßtes Handwörterbuch über die schönen Künste] "wenn wir den ganzen Reichthum unserer Sprache für die Darstellung mannigfaltiger Nüancen des Vergnügens an Form gehörig benutzen, finden wir, daß Anmuth weit entfernt ist, mit Grazie identisch zu seyn. Unsere Sprache biethet uns die Wörter: Reitz, Anmuth, Lieblichkeit, Liebreiz, Holdseligkeit, als <149> eine Stufenfolge von Ausdrücken verwandter Empfindungen dar, deren die eine sich über die andere erhebt. Reitz scheint das generische Wort zu seyn, die übrigen Wörter drücken besondere Arten des Reitzes aus. Nur das Schöne kann reitzend seyn; das Schöne wird aber reitzend, wenn es nicht bloß das Vergnügen der Contemplation erregt, sondern zugleich auch eine schwärmerische Begier, sich innig mit ihm zu vereinigen, es seiner Phantasie zu fortdauerndem Genusse zu übergeben."

"Anmuth und Lieblichkeit sind von Liebreitz und Holdseligkeit dadurch unterschieden, daß jene auch von leblosen und thierischen Wesen, diese bloß von Menschen und höhern Wesen gebraucht werden können; jene ein durch die Auffassung einer Form erregtes angenehmes Lebensgefühl, diese ein höheres mit der Sittlichkeit noch verwandtes Gefühl, ausdrücken; jene in Werken der Kunst in der Anordnung und Manier, diese im Ausdrucke ihren Grund haben."

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