Koch: Musikalisches Lexikon

Crescendo,

<397> (abgekürzt, cres.) zunehmend, wachsend; crescendo il forte (abgek. cres. il f.) oder crescendo fin'al forte, zunehmend <398> bis zum forte.

"Dieses ist" (sagt Reichardt)1 "das für unsere Empfindung, was die anziehende Kraft des Mondes fürs Meer ist: eben so sichere Ebbe und Flut wird dadurch in uns hervorgebracht. Die mehresten Orchester kennen und üben nur das forte und piano aus, ohne sich um die feinern Grade, um die ganze Schattirung zu bekümmern. - Schwer ists, ungeheuer schwer, mit einem ganzen <399> Orchester das zu thun, was einem einzelnen Virtuosen schon so viele Mühe macht. Aber möglich ists doch: das hat man in Manheim und in Stuttgard gehört. - Der Ausführer muß sich bemühen, die verschiedenen Grade der Stärke und Schwäche aufs genaueste in seinem Bogenstriche zu bestimmen. Man muß das pianissimo (ganz leise, am leisesten) vom piano (leise), und dieses von poco piano (etwas leise), das rinforzato (verstärkt) vom poco forte (etwas stark), dieses vom mezzo forte (halb stark) und più forte (stärker), und endlich das forte (stark) vom fortissimo (am stärksten) aufs genaueste im Druck des Bogens zu unterscheiden und zu bestimmen wissen, so daß man jeden dieser Grade einzeln anzugeben im Stande ist."

Hat es der Tonkünstler einmal dahin gebracht, alle diese verschiedenen Grade der Stärke und Schwäche des Tons auszudrücken, so wird es ihm auch alsdenn nicht mehr schwer fallen, sie in zu- oder abnehmender Stärke an einander zu reihen, und das crescendo oder decrescendo richtig auszudrücken.2 Das crescendo gehet nicht immer alle Grade der Schwäche und Stärke des Tones durch; oft fängt es nur bey dem piano, zuweilen gar bey dem poco piano an, und gehet bloß bis zum forte. Dieses geschieht besonders in dem Falle, wenn der Zeitraum zu diesem Prozesse nicht lang ist, und in diesem Falle bedient man sich gemeiniglich, statt des den Noten beyzufügenden Kunstwortes des folgenden Zeichens [Crescendo-Gabel].

Der Ausdruck crescendo wird zuweilen auch gebraucht, die zunehmende Geschwindigkeit des Zeitmaaßes zu bezeichnen. In diesem Falle bedient sich der Tonsetzer der Wörter il tempo crescendo. Die Ausführung solcher Stellen ist ebenfalls vielen Schwierigkeiten unterworfen, weil in allen Stimmen die wachsende Geschwindigkeit der Bewegung völlig gleichzeit geschehen muß, und keine der andern zuvorkommen darf. Der Tonsetzer, wenn er es durchaus für nöthig findet, sich dieses Prozesses zu bedienen, hat vorzüglich dahin zu sehen, daß er dabey in jeder der vorhandenen Stimmen nur eine Art von Notenfigur beybehalte, sonst wird der Prozeß verworren oder unausführbar.

Fußnoten:

Fußnote 1 (Sp. 397/398):

Ueber die Pflichten des Ripien-Violinisten von Joh. Fried. Reichardt. In diesem nur 6 Bogen starken Werkchen, welches aber als ein goldener Spiegel für alle Ripienspieler zu betrachten ist, findet man diesen Gegenstand ausführlich aus einander gesetzt.

Fußnote 2 (Sp. 399/400):

Daß bey Blasinstrumenten mit gehöriger Anwendung eben so verfahren werden muß, verstehet sich von selbst.

zurück
nach oben