Koch: Musikalisches Lexikon

Solo,

<1410> bezeichnet ein ausgeführtes Tonstück für ein durchgehends concertirendes Instrument, welches von einer Grundstimme begleitet wird. Man unterscheidet ein solches Tonstück durch den Namen Solo von einer andern Art zweystimmiger Instrumentalstücke, in welchen beyde Stimmen zugleich concertirend sind, und die man Duette nennet.

Das Solo, es sey gesetzt für welches Instrument es wolle, gehört <1411> unter die Gattungen der Sonate1 und bestehet aus drey verschiedenen Sätzen, von denen eigentlich ein jeder insbesondere einen bestimmten und durchgehaltenen Charakter haben, oder den Ausdruck einer Empfindung bis zur völligen Ausgießung des Herzens enthalten muß. Sehr oft wird aber dieses Tonstück zu einem bloßen mechanischen Spielwerke herabgewürdigt, welches weiter nichts darstellet, als einen Beweiß, daß der Ausführer desselben Fertigkeit der Finger oder der Zunge besitze.

Unter allen Tonstücken für obligate Instrumente verlangt das Solo den delicatsten und am mehresten ausgebildeten Vortrag, theils, weil die Solostimme nicht so sehr, wie bey dem Concerte oder wie bey den mehrstimmigen Sonaten, durch die übrigen Stimmen gedeckt wird, theils und hauptsächlich, weil es den Ausdruck einer gewissen Empfindung mit ihren Modifikationen in einem ununterbrochenen Zusammenhange enthält, und überhaupt, als Sonate, mehr fürs Herz, als fürs Ohr gesetzt ist.

Sey es auch, daß man, ohne in Widerspruch mit dem allgemein angenommenen Begriffe der Tonkunst zu gerathen, zugeben könnte, das Concert sey bestimmt, dem Virtuosen Gelegenheit zu geben, mehr zu glänzen als zu rühren; so ist es doch eine ausgemachte Sache, daß er im Solo mehr rühren als glänzen müsse. Das Solo verlangt als Sonate mehr einen Zusammenhang charakteristischer Melodie, als eine Folge nichts bedeutender Passagen; überdies noch läßt nicht einmal der durch kein Ritornell getrennte engere Zusammenhang der Melodie des Solo so viel Passagen und Anhäufung von Schwierigkeiten zu, wie im Concerte, weil dem Ausführer die Gelegenheit benommen <1412> ist, sich von der Anstrengung, die mit dem Vortrage solcher Schwierigkeiten gemeiniglich verbunden ist, so wie im Concerte während des Ritornells, zu erholen. Da es also keinem Zweifel unterworfen ist, daß das Solo der Absicht der Kunst mehr entspricht, als das Concert, und da es bekannt genug ist, daß die Virtuosen, die ohngefähr in der Mitte des verwichenen Jahrhundertes blüheten (und zwar ohne Zweifel aus den vorhin angeführten Gründen) sich weit öfterer und weit lieber mit dem Solo, als mit dem Concerte hören ließen;2 so scheint die feste Anhänglichkeit unserer modernen Virtuosen an das Concert, und ihre Abneigung, sich vermittelst des Solo hören zu lassen, dem so sehr gepriesenen Geschmacke der Zeit eben kein tiefes Kompliment zu machen. Kurz, die außerordentliche Vorliebe fürs Concert, und die gänzliche Vernachläßigung des Solo zeigt (wenigstens in Rücksicht auf die Virtuosen) mehr von dem Verfalle, als von dem Emporstreben eines feinen Geschmackes.

Man ist gewohnt mit dem Worte Solo auch noch anzuzeigen, daß in solchen Stimmen, die nicht durchgehends obligat gesetzt sind, wie z.B. die Hörner, Hoboen, oder Fagotte in der Sinfonie, bey der mit diesem Worte bezeichneten Stelle die Stimme den Hauptgesang allein führen werde, und daß sich der Ausführer derselben darnach einzurichten habe. Man findet es in solchen Stimmen auch oft in der mehrern Zahl (Soli) gebraucht, und alsdenn zeigt es an, daß sich noch eine oder mehrere Stimmen mit dem Vortrage der im Satze vorhandenen Hauptmelodien beschäftigen werden.

Auch die Hauptperioden eines Concertes, mit welchen sich der <1413> Concertspieler zwischen den Ritornellen hören läßt, werden mit dem Worte Solo bezeichnet. Man pflegt daher in den Concertstimmen nicht allein bey dem Schlusse des Ritornelles den Eintritt der Concertstimme mit Solo zu bezeichnen, sondern man nennet auch die ganze Hauptperiode, die der Concertspieler zwischen zwey Ritornellen vorzutragen hat, ein Solo, und sagt daher z.B. das erste oder zweyte Solo des ersten Allegro ist sehr lang.

Fußnoten:

Fußnote 1 (Sp. 1411/1412):

Daher führt auch z.B. das Solo für die Violine gewöhnlich die Aufschrift: Sonata per il Violino Solo.

Fußnote 2 (Sp. 1411/1412):

Sollte es, für diejenigen, die sich jener Zeit nicht erinnern können, wohl nöthig seyn, diese Behauptung zu beweisen? - Den Beweiß enthalten die hinterlassenen Tonstücke der Virtuosen aus jenem Zeitalter; man vergleiche nur die Anzahl der Sonaten, die sich zu dem oben angezeigten Behufe z.E. ein Eman. Bach, ein Benda, Pugnani, oder ein Scherer für die Oboe und ein Kleinknecht für die Flöte u.s.w. setzten, gegen die Anzahl ihrer Concerte, so bedarf es keines weitern Beweises.

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