Koch: Musikalisches Lexikon

Variazionen,

<1629> Variazioni, Man verstehet darunter eine mehrmalige unmittelbare Wiederholung eines kurzen Tonstückes, wobey die Melodie jedesmal durch Verschiedenheit der Zergliederungen ihrer Hauptnoten und der damit in Verbindung gebrachten durchgehenden und Nebennoten verändert wird, jedoch ohne dabey die Aehnlichkeit mit der Hauptmelodie ganz zu vermischen.

Man bedient sich solcher Variazionen sowohl als für sich bestehende Tonstücke zum Privatvergnügen, als auch in Verbindung mit andern Sätzen in größern Tonstücken, wie z.B. in den Sonaten, Concerten, und Sinfonien.

Sollen dergleichen Veränderungen gute Wirkung thun, so muß man

  1. zu der zu variirenden Melodie einen cantabeln Gesang wählen, der schon an und für sich selbst Interesse hat, und der zugleich so beschaffen ist, daß er sich dem Gedächtnisse leicht einprägt,
  2. müssen die Veränderungen in Ansehung <1630> ihres besondern Charakters abwechselnd seyn, das heißt, es dürfen nicht lauter schwärmende oder brillante Veränderungen unmittelbar auf einander folgen, sondern zwischen zwey oder mehrere brillante muß immer wieder eine von sanfterm Charakter eingeschoben werden, und
  3. muß die Aehnlichkeit mit der Hauptmelodie in jeder Veränderung in so weit beybehalten werden, daß die Aufmerksamkeit des Zuhörers dadurch gefesselt wird; denn sobald diese Aehnlichkeit verloren gehet, sobald hört gemeiniglich auch das Interesse für die Veränderungen auf, und sie bekommen das Ansehen willkührlich an einander gereiheter Sätze, die nichts mit einander gemein haben, und von deren Daseyn und Folge man sich keine Ursache denken kann.
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