Mattheson: Der vollkommene Capellmeister

Teil 2, Kap. 13 [Seite 15 von 41]

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Dialogi

§. 58. Nach kurtzgefaßter, doch zu unserm Zweck vermuthlich hinreichenden Betrachtung der weltlichen Sachen müssen wir auch derjenigen nicht vergessen, die eigentlich und ins besondere der geistlichen Ton=Kunst gewidmet sind. Und da erscheinen

XIII. Die Dialogi, oder gesungene Gespräche, welche so vielerley Arten, als Materien haben.

Es sind blosse Unterredungen in Noten und auf ungebundene Worte, die gemeiniglich von Schrifftmäßigen Personen geführet, und entweder aus den evangelischen oder andern biblischen Geschichten von Wort zu Wort hergenommen werden. Ihr Styl ist etwas madrigalisch.

<220> §. 59. Ihr Abzeichen ist historisch und andächtig, wobey verschiedene mit einander sprechende Personen, meistentheils in einem langen Arioso, bald mit, bald ohne Begleitung, eingeführet werden. Da sind weder rechte Recitative noch Arien, sondern es herrschet eine ungestörte Abwechselung des Gespräches, ohne weitere Veränderung, als daß sich die Stimmen im Schluß entweder durch einen Choral, oder andern Satz zu vereinbaren pflegen.

§. 60. Der vorige Hamburgische wolverdiente Cantor, Gerstenbüttel, setzte offtmahls solche Dialogos, und erweckte damit bey dem gemeinen Mann eine sonderbare Ehrfurcht für das göttliche gesungene Wort, um so mehr, weil er ausser dem Schluß=Satze die grösseste Deutlichkeit darin spüren ließ. Es ist indessen eine etwas abgebrachte Gattung der Kirchen=Stücke, welche anitzo auf einen andern Fuß gesetzet sind.

§. 61. Daß auch die Orgeln mit verschiedenen Clavieren, auf gewisse Weise solche Gespräche nachahmen können, ist eine recht artige Anmerckung im Waltherischen Wörter=Buche. Es gibt uns solche Vorstellung einen neuen Beweis, daß die Klang=Rede auch auf Instrumenten zu Hause gehöret, und sehr vernehmlich gemacht werden kan.

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