Quantz: Anweisung - Kap. 18

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§. 81. Die Instrumentalmusik der Deutschen in den vorigen Zeiten sah mehrentheils auf dem Papiere sehr bunt und gefährlich aus. Sie schrieben viele drey= vier= und mehrmal geschwänzten Noten. Weil sie aber dieselben in einer sehr gelassenen Geschwindigkeit ausführeten: so klangen ihre Stücke dessen ungeachtet nicht lebhaft, sondern matt und schläfrig.

Sie hielten mehr von schweren als leichten Stücken, und sucheten mehr Verwunderung zu erwecken, als zu gefallen.

Sie beflissen sich mehr, den Gesang der Thiere, z.E. des Kukuks, der Nachtigall, der Henne, der Wachtel, u.s.w. auf ihren Instrumenten nachzumachen, wobey der Trompete und der Leyer auch nicht vergessen wurde: als der Menschenstimme nachzuahmen. [Anmerkung]

Oefters war ein sogenanntes Quodlibet, wobey entweder in Singstücken lächerliche Worte, ohne Zusammenhang, vorkamen, oder, in Instrumentalstücken, die Sangweisen gemeiner und niederträchtiger Trinklieder unter einander gemischet wurden, ihr angenehmster Zeitvertreib.

Auf der Geige spieleten sie mehr harmonisch, als melodisch. Sie setzeten viele Stücke, wozu die Violinen umgestimmet werden mußten. Die Seyten wurden nämlich, nach Anzeige des Componisten, anstatt der Quinten, in Secunden, Terzen, oder Quarten gestimmet, um die Accorde desto leichter zu haben: welches aber bey den Passagien eine nicht geringe Schwierigkeit verursachete. [Anmerkung]

Ihre Instrumentalstücke bestunden meistentheils aus Sonaten, Partieen, Intraden, Märchen, Gassenhauern, und vielen andern oft lächerlichen Charakteren, deren Gedächtnis itzo verloschen ist.

Das Allegro bestund mehrentheils vom Anfange bis zum Ende aus lauter Passagien, da fast immer ein Tact dem andern ähnlich war, und von einem Tone zum andern, durch die Transpositionen, wiederholet wurde, welches aber endlich nothwendig einen Ekel verursachen müßte. Oefters blieben sie nicht länger als nur wenige Tacte bey einerley Tempo: sie vermischeten vielmehr, in einem Satze, bald etwas Langsameres, bald wieder etwas Geschwinderes, mit einander.

<328> Ihr Adagio hatte mehr eine natürliche Harmonie, als gute Melodie. Sie macheten darinne auch wenig Manieren, außer daß sie dann und wann die springenden Intervalle mit laufenden Noten ausfülleten. Die Schlüsse ihrer langsamen Stücke waren einfältig. Anstatt daß man itziger Zeit, wenn man z.E. im C schließen will, den Triller auf dem D oder H schlägt: so schlugen sie denselben auf dem C, welchem sie die Zeit einer punctirten Note gaben, und ließen das H als eine kurze Note nur simpel hören; der Endigungsnote C aber wurde noch eine, um einen Ton höher stehende Note, als ein besonderer Zierrath angeschleifet. Ihre Cadenzen waren ohngefähr in der Ausführung so beschaffen, wie Tab. XXIII. Fig.15 mit Noten ausdrücket zu sehen ist. Von vorhaltenden Noten, welche den Gesang an einander zu binden, und, auf eine angenehme Art, die Consonanzen in Dissonanzen zu verwandeln dienen, wußten sie wenig oder gar nichts: weswegen ihre Art zu spielen nicht rührend noch reizend, sondern platt und trocken war.

Vielerley Instrumente, von denen man itzo kaum noch die Namen weis, waren bey ihnen üblich. Es ist daher zu vermuten, daß man, wegen Vielheit derselben, mehr Ursach gehabt habe ihren Fleiß, als ihre Geschiklichkeit im Spielen, zu bewundern. [Anmerkung]

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