Quantz: Anweisung - Kap. 18

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§. 86. Die Italiäner pflegeten vor diesem den deutschen Geschmack in der Musik: un GUSTO BARBARO, einen barbarischen Geschmack, zu nennen. Nachdem es sich aber gefüget, daß einige deutsche Tonkünstler in Italien gewesen und allda Gelegenheit gehabt haben, von ihrer Arbeit, sowohl Opern als Instrumentalmusik mit Beyfalle aufzuführen, da wirklich die Opern, an welchen man in Italien zu itzigen Zeiten den meisten Geschmack, und zwar mit Rechte, findet, von der Feder eines Deutschen herkommen: so hat sich das Vorurtheil nach und nach verlohren. Doch muß man auch sagen, daß die Deutschen sowohl den Italiänern, als auch eines Theils den Franzosen, wegen dieser vortheilhaften Veränderung ihres Geschmackes, ein Vieles zu danken haben. Es ist bekannt, <332> daß an verschiedenen deutschen Höfen, als: in Wien, Dresden, Berlin, Hannover, München, Anspach, u.a.m. schon von hundert Jahren her, italiänische und französische Componisten, Sänger und Instrumentisten in Diensten gestanden sind, und Opern aufgeführet haben. Es ist bekannt, daß einige große Herren viele von ihren Tonkünstlern nach Italien und Frankreich haben reisen lassen, und daß, wie ich schon oben gesaget habe, viele der Verbesserer des Geschmackes der Deutschen, entweder eines, oder beyde dieser Länder besuchet haben. Diese haben also, sowohl von dem einen als von dem andern den Geschmack angenommen, und eine solche Vermischung getroffen, welche sie fähig gemachet hat, nicht nur deutsche, sondern auch italiänische, französische, und engländische Opern, und andere Singspiele, eine jede in ihrer Sprache und Geschmacke zu componiren, und mit großem Beyfalle aufzuführen. Weder von den italiänischen noch französischen Tonkünstlern kann man dergleichen sagen. Nicht daß es ihnen am Talente dazu fehlete: sondern weil sie sich wenig Mühe geben, fremde Sprachen zu erlernen, weil sie allzusehr von Vorurtheilen eingenommen sind, und weil sie sich nicht überreden können, daß außer ihnen, und ohne ihre Sprache, etwas Gutes in der Singmusik hervorgebracht werden könne.

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