C. Ph. E. Bach: Versuch ... 2. Teil

XXXII. Capitel. Von gewissen Zierlichkeiten des Accompagnements [§ 1-12]

zurück | weiter

<268> §. 1. Wir erinnern hier nochmahls, daß die Zierlichkeit des Accompagnements nicht in bunten Figuren und Manieren, welche man zur Unzeit erfindet, und wordurch einige sogar den Gesang der Grundnoten verstellen, bestehen müsse. [...]

§. 2. [...]

<269> §. 3. Der gewöhnlichste Ausdruck, wodurch man einen guten Accompagnisten kennbar machet, pfleget dieser zu seyn: er accompagniret mit Discretion. Dieses Lob ist von weitläuftiger Bedeutung, und man will damit so viel sagen: Der Begleiter weiß gut zu unterscheiden, und hiernach seine Einrichtungen zu machen, nachdem der Inhalt eines Stückes, dessen Vollstimmigkeit, die Mitgehülfen in der Ausführung, besonders der Ausführer der Hauptstimme, die Instrumente oder Singstimmen, der Ort, die Zuhörer u.s.w. beschaffen sind. Er suchet mit der grössesten Bescheidenheit denenjenigen, die er begleitet, ohngeacht er sie zuweilen mit seinen Kräften übersiehet, die erwünschte Ehre mit zu erwerben. Diese Bescheidenheit zeiget er besonders gegen Personen, die nicht vom Metier sind. Er lässet diese letztern lieber hervorragen, als daß er sie verdunkeln solte. Ueberdem schläget er in die Absichten des Verfassers und der Ausführer eines Stückes jederzeit ein; er suchet diese Absichten zu befördern und zu unterstützen; er ergreifet alle möglichen Schönheiten der Vortrages und der Begleitung überhaupt, so bald es der Inhalt eines Stückes fordert; er wendet aber auch bey dem Gebrauche dieser Schönheiten zugleich die nöthige Behutsamkeit an, damit er niemanden einschränke; zu dem Ende bringet er seine Künste nicht alle Augenblicke, sondern sparsam und nur alsdenn an, wenn sie die gute Ausnahme befördern. [...]

§. 4. [...]

<270> §. 5. Mit Discretion accompagniren heisset auch gewissen Freyheiten, welche sich die Ausführer der Hauptstimme zuweilen herausnehmen, nachgeben. Diese letztern pflegen alsdenn bey der Auszierung oder Veränderung des Gesanges, ohne daß es eigentlich seyn solte, von der Vorschrift in etwas abzugehen. Dem verständigsten Ausführer der Hauptstimme kan dieses begegnen, wenn er weiß, daß er einen tüchtigen Accompagnisten hat, und sich folglich mit aller möglichen Freyheit dem Affecte überlässet. Diese Freyheiten müssen nicht aus einer Unwissenheit, sondern aus einer vernünftigen Souveränität herrühren, und betreffen nur gewisse Kleinigkeiten, welche einem erfahrnen Accomompagnisten nichts , als ein wenig Aufmerksamkeit kosten. [...]

[...]

zurück | weiter
nach oben