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Forkel: Musikalisch-kritische Bibliothek - Bd. 2, Kap.

Carl Philipp Emanuel Bachs Claviersonaten, mit einer Violin und einem Violoncell zur Begleitung. [...]

<281> [...] Ob[wohl] man gleich schon zufrieden seyn kann, wenn die drey zu einer Sonate gehörigen Stücke [Sätze] nicht gänzlich miteinander contrastiren, und daher nicht jedes als einzelnes, von den übrigen Stücken abgesondertes Ganzes betrachtet und gebraucht werden muß; so ist es doch desto besser, je näher die Theile [Sätze] miteinander verbunden werden, und je weniger Stöße unser Gefühl bekömmt, wenn die nach heutiger Mode nothwendig zusammengehörigen drey Stücke einer Sonate ohne Unterbrechung aufeinander folgen sollen.

Wir haben schon gesagt, daß das Rondeau einen Hauptgedanken haben müsse, der wie in dem poetischen Rundgesange mit darausfließenden Nebengedanken untermischt und abgewechselt, und von Zeit zu Zeit wiederholt wird. Das erste Gesetz, welches sich für die Einrichtung eines Rondeaus geben läßt, zielt also auf diesen Hauptgedanken. Jeder Satz der Musik, so wie jeder Gedanke in der Poesie oder Redekunst, welcher theils mit besonderm Schimmer vorgetragen, oder öfters wiederholt werden soll, muß einen innern Werth haben, der ihn dieses besondern Schimmers, oder einer öftern Wiederholung würdig macht. Da nun der Hauptsatz eines Rondeaus, obgleich nicht immer mit besonderm Schimmer vorgetragen, doch öfters wiederholt wird, so folgt daraus, daß er alle Eigenschaften an sich haben müsse, die ihn dieser öftern Wiederholung würdig machen können, und im Stande sind, den Ueberdruß der Zuhörer abzuhalten.

Außer diesen Eigenschaften eines Satzes, der dem Rondeau zum Hauptgedanken dienen soll, wird auch noch erfordert, daß er zergliedert [verarbeitet] und auf eine gute Art verändert [mit Variationen und Verzierungen versehen] werden könne, um auch dadurch der in allen Künsten nothwendigen Mannichfaltigkeit beförderlich zu seyn, und die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch zu viele Einerleyheit nicht zu ermüden.

So viel vom Haupgedanken des Rondeaus an sich selbst. Die Zwischensätze (Couplets) müssen aus ihm entspringen, und da er gleichsam eine musikalische Sentenz, das heißt, kurz und bündig ist, so sind sie am besten, wenn sie ihn gleichsam paraphrasiren, und ihn dadurch bei jeder Wiederholung bestätigter, erwiesener, und [...] als eine aufs neue bekräftigte Sentenz erscheinen lassen. Zergliederungen einzelner Theile desselben in verwandte, oder, wenn es auf eine gute Art geschehen kann, entfernte Tonarten von der Haupttonart, sind lauter Hülfsmittel, welche diese Art von Paraphrase am besten bewerkstelligen können, und müssen nothwendig den bloßen Einfällen, die ein Rondeau zu vielen einzelnen Stücken, aber nicht zu einem aus vielen einzelnen Stücken bestehenden Ganzen machen, vorgezogen werden.

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